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Das richtige Leben


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Das richtige Leben

"'n Abend Schatz", säuselt sie mir ins Ohr.
"'n Abend", erwidere ich.
"Wie war die Arbeit?".
"Ganz okay", sage ich ausweichend.
"was habt ihr denn gemacht?", hakt sie nach.
"Na ja das übliche. Wie immer halt".
"Na erzähl doch mal"
Ich merke dass sie wohl nicht locker lassen würde bis ich ihr in Einzelheiten meinen heutigen Tag geschildert hätte. Ich hasse diese Art der Unterhaltung. Es erscheint mir immer wie ein Verhör, außerdem glaube ich nicht dass sie meine Arbeit wirklich interessieren könnte. Das es irgendjemanden interessieren könnte. Na ja außer mich.
"Wir haben heute den Clients neue Betriebssysteme raufgespielt."
"Aha"


Das wusste ich. Erst fragen und dann diese Antwort. In diesem Ton. Nochmehr als diese Fragen hasse ich diesen Ton. Das erinnert mich immer an meine Mutter.
"Ich will ja nicht unhöflich sein", beginne ich zaghaft, " aber wollen wir nicht zur Sache kommen?"
"Na ja bei mir Büro war wieder die Hölle los..."
Oje! Schon wieder bin ich darauf hereingefallen. Dabei hätte ich es wissen müssen. Erst fragt sie nach meinem Tag, heuchelt Interesse, um mich dann mit ihrem Tagesablauf zu quälen. Wahrscheinlich hat irgendeine von den Bürotanten sich über ihre Frisur aufgeregt...
"Also Helga, du weißt schon, DIE Helga aus dem Büro nebenan, weißt du was sie zu meiner neuen Frisur gesagt hat?"


Na da haben wir es ja. Ich rolle mit den Augen.
'Wahrscheinlich das was ich auch gesagt hätte, wenn ich nicht so ein lieber Kerl wäre' denke ich, sage aber nur:
"Sie hat ihr gefallen?"
"Sie hat mich ganz erschrocken angesehen und gesagt 'Ach herrje Liebes, ist die Trockenhaube explodiert?'"
'schön wär's gewesen', denke ich.
"Na so was", sage ich stattdessen mit gespielter Entrüstung, "Das ist wohl gar nicht nett".
Eine Stecknadel die jetzt gerade herunterfallen würde, hätte wahrscheinlich die Lautstärke eines startenden Düsenjets gehabt.
"Nie interessierst du dich dafür was mir so passiert. Immer bist du so grob."
"Ach Schatz, du weißt doch dass ich dich liebe", sage ich um sie zu beruhigen. Aber heute ist wohl nicht mein Tag.
"Ach und damit meinst du ist alles wieder gut?"
"Ich dachte das würde dir reichen", sage ich vorsichtig.
"Du bist so rücksichtslos.", erwidert sie, wobei sie das "so" in die Länge zieht und einen leicht weinerlichen Singsang hinzufügt. 'Ganz toll!' sage ich zu mir und in Erwartung eines längeren Gesprächs zünde ich mir eine Zigarette an.
"Musst du immer rauchen?", fragt sie plötzlich. Ich verschlucke mich am Rauch und muss husten. "siehst du das hast du davon", sagt sie belehrend, "Wenn du schon nicht an deine Gesundheit denkst dann wenigstens an meine"


Ich höre das Pochen meines Pulses in meinem Kopf.
"Das ist erst meine dritte, heute war richtig Stress", erläutere ich.
"Das ist kein Argument! Stelle dir vor ich ersticke und falle tot um und die Polizei fragt dich was los war und du sagst 'Es war doch erst meine dritte'. Was meinst Du was die wohl dazu sagen wird?"
Wahrscheinlich :'Da haben sie aber Glück gehabt' und ich sage 'das stimmt'
Unbewusst fange ich an zu lächeln und ein leichtes Glucksen entweicht mir.
Ein hysterisches "Ach" kommt aus Ihrer Richtung.
"Schatz ich habe übrigens morgen frei", beginne ich in der Absicht das Thema zu wechseln und den Abend vielleicht doch noch zu retten.
"Wie wäre es wenn wir den Kriegsschauplatz wechseln, ich dir zeige wie viel du mir bedeutest und danach gibst ein schönes Frühstück..."
Ein lautes "Klick" macht meine Hoffnungen zunichte. Aufgelegt.
"Schöne Scheiße" rufe ich ärgerlich.


Mein Blick schweift auf den Tisch auf dem die ausgeschnittene Anzeige liegt.
"Du wirst keinen Unterschied merken. Wie im richtigen Leben. Ruf mich an 0190 1243526."
Das richtige Leben hatte ich mir aber anders vorgestellt...

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